Bilder einer Ausstellung

Luk Perceval inszeniert James Joyces „Exiles“ an den Münchner Kammerspielen

Oft gibt es gute Gründe dafür, dass selten gespielte Theaterstücke so selten gespielt werden. James Joyces einziger Dramentext „Exiles“ ist so ein Beispiel. Das Kammerspiel verhandelt auf recht moderne Weise die Liebe als erstarrte, nicht gelebte Sehnsucht. 1919 wurde der Drei-Akter an den Münchner Kammerspielen uraufgeführt. Unter Luk Percevals Regie ist das Stück nun dorthin zurückgekehrt. Die aktuelle Inszenierung zeigt, wie schwer es ist, einen künstlerischen Ausdruck für nicht gezeigte Gefühle zu finden. 

Erstarrte Figuren vor hochästhetischer Dekoration. / Foto: Judith Buss Photographie
Erstarrte Figuren vor hochästhetischer Dekoration. / Foto: Judith Buss Photographie

Das Bühnenbild ist ein Hund. Das plastisch gemalte Abbild eines Hundekopfes ragt in allen drei Akten unverändert vor der Bühnenrückwand auf – mit typisch traurig-treuem Hundeblick. Um den Hundekopf herum hängen vor dunklem Hintergrund gelb leuchtende kugelförmige Lampen. Das sieht gut aus, alles zusammen. Und wenn man es semantisch aufladen möchte, kann man den Hundekopf als Sinnbild der Treue und die Mondlampen als Symbol für Romantik deuten. Romantik und Treue kommen im Stück als Idee vor, werden jedoch nicht gelebt.

Vor dem Hundekopf agieren die Schauspieler Stephan Bissmeier, Sylvana Krappatsch, Kristof Van Boven und Marie Jung und der Kontrabassist Dine Doneff. Vier vielversprechende Schauspieler, eine hochästhetische Bühnendekoration und ein Musiker mit faszinierender Bühnenpräsenz – aus diesen Zutaten könnte ein guter Theaterabend werden.

Stephan Bissmeier spielt den Schriftsteller Richard, der nach Jahren des selbstgewählten künstlerischen Exils in Italien mit seiner Familie in die irische Heimat zurückkehrt. Er trifft die Musiklehrerin Beatrice (Marie Jung) wieder, die ihn zu einem Roman inspiriert hat. Er ist in sie verliebt – wenn nicht als Mann so doch zumindest als Künstler.

Slapstick macht es nicht immer besser. / Foto: Judith Busse Photographie
Slapstick macht es nicht immer besser. / Foto: Judith Busse Photographie

Sylvana Krappatsch spielt Richards Frau Bertha, die ihm stets den Rücken frei hält, sich jedoch durchaus etwas vernachlässigt fühlt, weil er mit seiner Aufmerksamkeit ständig woanders ist. Trotzdem ist sie ihm treu ergeben und erzählt ihm von Anfang an völlig offen von den Avancen, die ihr Richards bester Freund Robert (Kristof Van Boven) macht. Eine eigene Haltung scheint Bertha dabei nicht zu haben. Sie geht halbherzig auf Roberts Annäherung ein, lässt sich treiben und erwartet von ihrem Mann Richard, dass er eine Entscheidung trifft. Der jedoch hat ein sehr freies Verständnis von der Liebe und unternimmt wenig. Einmal sagt Richard zu Robert: „Du kannst sie mir nicht wegnehmen, denn ich besitze sie nicht.“

Im Grunde genommen wäre in einer solchen Konstellation einiges an Konfliktpotential angelegt. Doch in Joyces Drama werden Konflikte nicht offen ausgetragen sondern manifestieren sich höchstens in Nebensätzen. Joyces Bewunderung für Ibsen ist in „Exiles“ nicht zu übersehen, doch sind seine Figuren noch nihilistischer als die des norwegischen Dramatikers. Umso größer ist die Herausforderung für Regisseur und Schauspieler, eine szenische Umsetzung für das Innere dieser Figuren zu finden. In Luk Percevals Inszenierung gelingt das nur bedingt. Einerseits kehren der Regisseur und seine Darsteller die innere Starre der Figuren sehr konsequent nach außen. Die Bewegungen der Schauspieler auf der Bühne folgen geraden, choreografischen Linien. Jedes Wort wird sehr bedacht ausgesprochen, sei es noch so banal. In den langen Gesprächspausen halten nur Blicke die Spannung zwischen den Figuren aufrecht.

Empathie kommt beim Zuschauer jedoch nur in wenigen Momenten auf. Die formalistische Darstellung verhindert ein dauerhaftes Einfühlen. Daran ändern auch die slapstickhaften Ausbrüche Berthas und Roberts nichts, die wie Übersprungshandlungen unterdrückter Seelen wirken. Und auch das expressive Spiel des Kontrabassisten Dine Doneff, der immer mit auf der Bühne ist, gibt den Figuren wenig Emotionalität.

Zu anderer Gelegenheit würden durch sein Spiel Emotionen evoziert: Dine Doneff / Foto: Judith Busse Photographie
Zu anderer Gelegenheit würden durch sein Spiel Emotionen evoziert: Dine Doneff / Foto: Judith Busse Photographie

Was in Luk Percevals berühmter „Othello“-Inszenierung so meisterhaft geglückt ist – ein expressiver Musiker als Energieträger und Gefühlskatalysator, ein kontrollierter Hauptdarsteller, der ganz wenig zeigt, aber dadurch sein Leid umso deutlicher macht – das funktioniert in „Exiles“ nur in wenigen Momenten. So ist die Inszenierung leider nicht viel mehr als eine Illustration der in Joyces Stück aufgegriffenen Themen. Sie lässt den Zuschauer etwas ratlos zurück.

Regie: Luk Perceval, Bühne und Kostüme: Katrin Brack, Musik: Dine Doneff, Licht: Mark Van Denesse, Dramaturgie: Jeroen Versteele. Mit: Stephan Bissmeier, Sylvana Krappatsch, Marie Jung, Kristof Van Boven, Dine Doneff. Dauer ca. 1 Stunde 30 Minuten, keine Pause

Weitere Termine: Mo., 5.1.; Fr., 23.1.; Fr., 30.1.2015. Informationen und Karten unter Telefon 089/233 966 00 oder unter www.muenchner-kammerspiele.de