Der Sohn des Spielmachers

Der Journalist Arno Frank beeindruckt mit seinem autobiografischen Roman „So, und jetzt kommst du“

Côte d’Azur statt Kaiserslautern, ertragreiche Nächte im Casino statt Arbeit im Gebrauchtwagenzentrum, Nobelvilla mit Pool und Meerblick, internationale Diplomatenschule und Segelunterricht für die Kinder – so stellt sich Arno Franks Vater das Leben für sich und seine Familie vor. Und mit 300 000 Mark, für die er eigentlich für einen Kunden Autos kaufen sollte, wird dieser Traum für einige Monate Wirklichkeit.

Cap Ferrat an der Côte d’Azur bei Nizza / Foto: Wikimedia Creative Commons - DGL
Cap Ferrat an der Côte d’Azur bei Nizza / Foto: Wikimedia Creative Commons – DGL

Die Zeit an der Côte d’Azur ist der Höhepunkt in Arno Franks autobiographischem Roman. Nach dieser Episode geht es nur noch bergab. „So, und jetzt kommst du“ handelt von einer Kindheit voller Unsicherheiten, voller abenteuerlicher Höhenflüge und Abstürze. Der Journalist Arno Frank, der unter anderem für taz, Zeit und Musikexpress schreibt, lässt sein halbwüchsiges Alter Ego unaufgeregt und mit beeindruckender Aufrichtigkeit vom Leben als Sohn eines Hochstaplers erzählen.

Das Buch hat dabei nichts von einem mit Fakten auftrumpfenden Tatsachenbericht, vielmehr gelingt Frank eine Komposition von Momentaufnahmen voller sinnlicher Eindrücke.

Franks Vater erscheint als charismatischer Spielmacher, der nach Höherem strebt. Früh weiß er, dass er einmal reich sein wird, nicht durch Fleiß und aufreibende Arbeit, sondern durch die Gabe, Wünsche und Schwächen anderer Menschen zu erkennen und für seine Zwecke zu nutzen. Kompliziert sei das gar nicht, man müsse nur lernen, Menschen als Steine zu betrachten, „Wackersteine in einem Bach, über die du sicher auf die andere Seite kommst“, erklärt er einmal seinem Sohn.

Nur bei Frau und Kindern scheint Jürgen Frank da eine Ausnahme zu machen. Sein Verhältnis zu seiner Familie ist lange Zeit geprägt von Loyalität und Zusammengehörigkeitsgefühl. Es steht außer Frage, dass er seine Frau, drei Kinder und später auch noch zwei Hunde mitnimmt auf seiner Flucht quer durch Europa. Immer wieder organisiert er Transportmittel und Unterkünfte für die Familie, selbst als kein Geld mehr da ist. „Dann will ich uns da mal reinquatschen“, sagt er vor einem Hotel in Lissabon, und keine halbe Stunde später bezieht die völlig abgebrannte Familie ein Doppelzimmer, in dem sie dann wochenlang lebt.

"So, und jetzt kommst Du", sagt der Spielmacher zu seinem Sohn / Cover: Klett-Cotta
„So, und jetzt kommst Du“, sagt der Spielmacher zu seinem Sohn / Cover: Klett-Cotta

Schwach und ausfällig wird der Vater nur, wenn einer seiner „todsicheren“ Pläne nicht aufgeht. Und die Fürsorge für die Familie geht genau so weit, wie sie seinen eigenen Vorhaben nicht im Wege steht. Was er seinen Kindern nie bieten kann, ist Stabilität und Normalität.

Als schüchterner, ein wenig dicklicher 13-Jähriger steht Arno Frank stets im Schatten des eloquenten, weltgewandten Vaters. Doch entwickelt der Junge zwischen überstürzten nächtlichen Fluchten zu immer neuen Orten, schreiendem Baby-Bruder und kotzenden Hunden eigene Überlebensstrategien. Wenn die Eltern manchmal tagelang nicht aus dem Haus gehen, unternimmt er Streifzüge mit den Hunden, erkundet die Umgebung in Cannes, Lissabon oder Heimstetten, klammert sich an die Musik aus seinem alten Sony-Walkman. Man bewundert als Leser immer wieder seine stille Stärke. Er verfügt über einen Gleichmut und eine stabilisierende Selbstgenügsamkeit, die seinen Eltern völlig fehlen.

Sehr mutig ist es, eine solche Familiengeschichte zu erzählen. Arno Frank tut es in der respektvollsten, erfrischendsten und lesenswertesten Art und Weise, die man sich vorstellen kann.

Arno Frank: „So, und jetzt kommst du“, Klett-Cotta, 352 Seiten, 22 Euro