Um Freiräume kämpfen

Theresia Enzensbergers überzeugendes Romandebüt „Blaupause“

Der Name der Autorin und der Klappentext sind vielversprechend: Theresia Enzensberger ist die Tochter von Hans Magnus Enzensberger und hat mit „Blaupause“ nach Jahren als Journalistin ihren ersten Roman veröffentlicht. Thema ist der Werdegang einer jungen Architektin am Bauhaus der 1920er Jahre.

Zunächst jedoch will man sich nicht so richtig hineinfinden in die Geschichte der jungen Frau die einerseits einen starken Willen zu haben scheint, andererseits doch recht verloren und höhepunktlos durch den Alltag am Weimarer Bauhaus stolpert. Sind die ersten 50 Seiten geschafft, überzeugt „Blaupause“ jedoch auf ganzer Linie. In unaufgeregter, klarer Sprache hat Enzensberger einen sehr lesenswerten, sorgfältig recherchierten und dramaturgisch klug konstruierten historischen Roman geschrieben.

Die Protagonistin Luise kommt aus dem Berliner Großbürgertum. Gegen den Willen ihrer Eltern macht sie sich auf in eine Welt, in der andere Regeln und Rollenbilder vorherrschen als in der bürgerlichen Gesellschaft.

Das Bauhaus ist zu dieser Zeit ein Sammelbecken der verschiedensten, teilweise skurrilen Bewegungen und Ideen. Luises Anfangszeit in Weimar ist geprägt von ihrem Kontakt zu den Naturmystikern um den Maler Johannes Itten und gleicht einem ziellosen Umherirren, bei dem man als Leser oft ein wenig den roten Faden vermisst. Bald wird jedoch deutlich, dass der etwas zähe Auftakt nötig ist, um ein Umfeld zu etablieren, in dem man sich natürlicherweise zunächst einmal verloren fühlt. Je klarer die Vorstellungen der Protagonistin werden, desto klarer und stringenter wird auch die Geschichte, die sie selbst erzählt.

Der zweite Teil des Romans spielt in Dessau, wo das Bauhaus seit 1926 beheimatet ist. Luise muss für ihren Unterhalt nun selbst aufkommen, arbeitet lange Schichten in einer tristen Wirtschaft – getragen von den freigeistigen und jetzt auch politischeren Idealen, die sie am Bauhaus umgeben.

Auch vom Aufbruch in eine neue Zeit erzählt "Blaupause" / Cover: Hanser
Auch vom Aufbruch in eine neue Zeit erzählt „Blaupause“ / Cover: Hanser

Immer wieder macht „Blaupause“ die Widerstände, mit denen Luise als Frau zu kämpfen hat, zum Thema, ohne sie demonstrativ anzuklagen. Mit der Zeit wird die Protagonistin immer selbstbewusster, steht immer mehr für ihre eigenen Ideen ein, in Bezug auf ihre Arbeit wie in Bezug auf ihre Lebensgestaltung. Dennoch ist sie immer wieder mit ganz anderen Herausforderungen konfrontiert als ihre männlichen Kommilitonen. Ihr Kampf gegen die Diskriminierung ist kein lauter, polemischer; er besteht vor allem darin, dass sie hartnäckig bleibt und sich nicht abbringen lässt von ihrem Weg in Richtung eines halbwegs selbstbestimmten Lebens als Architektin.

Ganz nebenbei skizziert Enzensberger in ihrem Roman die rivalisierenden politischen Strömungen der Weimarer Republik. Dass es in Zeiten des Aufbruchs und der gesellschaftlichen Neuorientierung nicht immer leicht ist, von neugewonnenen Freiheiten tatsächlich zu profitieren, wird immer wieder deutlich. Genauso präsent ist jedoch die Erkenntnis, dass der Versuch, um Freiräume zu kämpfen und diese zu gestalten, sich in jedem Fall lohnt.

Theresia Enzensberger: „Blaupause“, Hanser, 256 Seiten, 22 Euro