Mama Fatale/ Cover: dtv

Das Unwohlsein der Erziehungsberechtigten

Eva Karl Faltermeiers „Mama Fatale“ bringt Humor und Verletzlichkeit zusammen und ist ein Plädoyer für mehr Leichtigkeit in der Elternschaft.

Elternschaft verändert alles: Man rennt in Unterhosen mit Kleinkind auf dem Arm ins Nachbarhaus, um sich über den Partylärm zu beschweren, das Reserverad im Auto findet man unter Unmengen an Kinderzeichnungen und Kindergarten-Infozetteln nicht mehr und eine heruntergeworfene Sushibox wird mitunter zur Katastrophe.

So ergeht es Eva Karl Faltermeiers autofiktionaler Mutterfigur in „Mama Fatale“. Wie in ihren Live-Programmen bewegt sich die Oberpfälzerin auch in ihrem aktuellen Buch nah am Alltag. 

Kabarettistische Distanz trifft schonungslose Ehrlichkeit und Verletzlichkeit. Karl Faltermeiers „Bekenntnisse einer Erziehungsberechtigten“ – so der Untertitel – bringen zum Lachen und zum Weinen, weil sie so treffend sind. Es geht um die zunehmende Nähe zum Kind, das mit den Monaten immer weniger schreit und immer mehr zur „Indie-Göttin in Windeln“ wird, und um die zunehmende Distanz zu den kinderlosen Freundinnen: „Ich ertrage es nicht, dass sie so gar nichts müssen – und ich muss alles“. Der Kita-Alltag fordert seine Tribute mit rigiden Bring- und Abholzeiten und diversen Kinderkrankheiten von Magen-Darm bis Hand-Mund-Fuß, die auch die ersehnte Familien-Auszeit im Wellness-Hotel ganz anders verlaufen lassen als geplant.

In ihrer Anfangszeit als Erziehungsberechtigte ist die ausgebildete Journalistin und Öffentlichkeitsarbeiterin Karl Faltermeier noch keine preisgekrönte Kabarettistin. Den Senkrechtstarter beim Bayerischen Kabarettpreis hat sie 2021 gewonnen. Doch der Erfolg als Kabarettistin macht ihr Leben als Mama nicht einfacher: Ihre beiden Kinder gehen jetzt in die Schule, und sie hat ein ernsthaftes Schlafproblem: „Tagsüber Haushalt, Kinderzeug, Telefonate, Interviews und Zoom-Calls, abends für Ruhe sorgen, aufräumen oder ein Auftritt. Und ab 22 Uhr: endlich Zeit, um kreativ zu sein. Oder Bürosachen.“ Nach so einer Nachtschicht findet sie schwer in den Schlaf, auch CBD, Melatonin und Meditation helfen nicht, und ein tägliches Gute-Nacht-Likörchen hat sie wieder verworfen – das würde doch „im wahrsten Sinne des Wortes das nächste Fass aufmachen“. 

Sie berichtet auf tragikomische Weise, wie die Ambitionen in Bezug auf die Kinder mit den Jahren der Elternschaft immer weniger werden, aber manche Dinge trotzdem oder gerade deswegen einfach richtig laufen.

Bei aller Freude an der satirischen Überspitzung ist es immer wieder schön und wohltuend, wie ernst Karl Faltermeier ihre Kinder nimmt, wie sehr sie versucht, bei aller eigener Unzulänglichkeit die Kinder gut auf den Irrsinn der Welt vorzubereiten. „Man weiß nicht, zu was man fähig ist, bevor man einmal so undifferenziert liebt. Und bevor man durch die Kombi aus Liebe und Erziehungsberechtigung so richtig brutal überfordert ist.“ 

Dem Unwohlsein und der Überforderung der modernen Mutter begegnet sie humoristisch. Macht Humor die Überforderung erträglicher? Ein Stückweit auf jeden Fall. Er normalisiert und banalisiert sie jedoch auch ein wenig. 

Aber „Mama Fatale“ muss auch kein radikal gesellschaftsveränderndes Manifest sein, sondern darf ein Bekenntnis sein, dem Ist-Zustand mit mehr Leichtigkeit zu begegnen. Am Ende hält man sich am besten an das, was Eva Karl Faltermeier schon in ihrer Einleitung schreibt: „Wir müssen uns alle weniger stressen, weniger wichtig nehmen und weniger unter Druck setzen. Und genau deshalb habe ich dieses Buch geschrieben.“ Und eine solche Haltung verändert manchmal schon ganz schön viel. 

Eva Karl Faltermeier: „Mama Fatale“. dtv, 192 Seiten, 12 Euro, E-Book für 9,99 Euro

Dieser Text ist zuvor in der Münchner Abendzeitung vom 29.4.2023 erschienen.