Alle Beiträge von Katrin

Die Kraft der Vergebung

Die vietnamesische Autorin und Journalistin Nguyễn Phan Quế Mai erzählt in ihrem ersten auf englisch veröffentlichten Roman „Der Gesang der Berge“ eine beeindruckende Familiensaga im Spiegel der vietnamesischen Geschichte.

Der Vater ist verschollen, die Mutter kehrt schwer traumatisiert aus dem Krieg zurück, der Onkel verstümmelt ohne Beine. Das Leben, das Nguyễn Phan Quế Mai in „Der Gesang der Berge“ beschreibt, ist geprägt von Verlusten und unendlichem Schmerz. Dennoch erzählt das Buch auch eine Geschichte von Hoffnung und Vergebung.

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Rachegöttin im Fiebertraum

Mit „Animal“ hat die Bestseller-Autorin Lisa Taddeo ein fesselndes und in sich schlüssiges Buch über das Lebenstrauma einer sexbessenenen Frau geschrieben.

Ein Mann, der sich aus Liebe zu einer Frau erschießt. Das weiße Kleid einer toten Mutter, das am Ende der Geschichte rot ist. Und Kojoten, die das Menstruationsblut von Frauen riechen und danach lechzen, noch bevor die Blutung überhaupt einsetzt.

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Beiläufige Tragödien und kunstvolle Schleifen

Iris Wolffs poetisch runder Roman „Die Unschärfe der Welt“

Die junge Deutsche Florentine und ihr Mann Hannes ziehen in den 1970er Jahren in ein kleines Dorf im rumänischen Banat, wo Hannes eine Stelle als evangelischer Pfarrer antritt. Sie machen in dieser Region, wo zahlreiche ethnische Gruppen zusammenleben, neue Bekanntschaften und schließen Freundschaften, bekommen ein Kind und öffnen das Pfarrhaus für Übernachtungsgäste aus der DDR. 

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Sie waren einmal eine Familie

Sandra Gugićs sehr lesenswerter Roman „Zorn und Stille“ über die inneren und äußeren Kämpfe einer serbischen Einwandererfamilie

Eine Autofahrt Richtung Norden in sommerlicher Hitze, ein Paar auf dem Weg von Jugoslawien nach Österreich, die Frau auf dem Beifahrersitz kämpft mit der Erschöpfung, bei der ersten Rast erfassen sie Beklommenheit und Zweifel an dieser Reise. Eine andere Frau bei einer Ausstellungseröffnung in einem Berliner Galerie-Loft, nach der Vernissage fotografiert sie dort ihren halbwüchsigen Bruder und ist von seiner Anwesenheit gleichermaßen überrascht und überwältigt.

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Die Einsamkeit in der Rush Hour des Lebens

Anne Hopes gelungener Roman „Was wir sind“ erzählt von drei Frauen aus der Generation, „die glaubte, alles haben zu können“

Drei Freundinnen in einem Londoner Park, unbeschwerte Stimmung – zumindest für den Moment. Damit beginnt und damit endet Anna Hopes Roman „Was wir sind“. Zwischen beiden Szenen liegen 14 Jahre – und die Rush Hour des Lebens, jener Zeitabschnitt, in dem man meint, alles schaffen, alles regeln, alles auf den Weg bringen zu müssen: Karriere, Partnerschaft, Kinder.

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Nothing left to lose

Sorj Chalandons Roman „Wilde Freude“ ist eine Parabel über Freundschaft und Selbstachtung

Vier Frauen, die wenig zu verlieren und viel zu gewinnen haben, planen, einen Juwelier zu überfallen. Bis zuletzt ist unklar, ob sie dabei geschnappt werden oder doch auf wundersame Weise entkommen. Der Plot von Sorj Chalandons Roman „Wilde Freude“ erinnert ein wenig an den deutschen Film „Bandits“, in dem Katja Riemann, Jasmin Tabatabai, Nicolette Krebitz und Jutta Hoffmann Ende der 1990er Jahre als im Rehabilitationsprogramm gegründete Band aus dem Gefängnis fliehen. 

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Im Herzen Ezidin

Ronya Othmanns überzeugender Debütroman „Die Sommer“

Der Vater sitzt in der Küche, trinkt Tee, kaut Sonnenblumenkerne und erzählt. Diese Szene kehrt immer wieder in Ronya Othmanns Debütroman „Die Sommer“. Die Protagonistin Leyla wächst als Tochter eines ezidischen Kurden und einer Deutschen in Bayern auf und lernt das Heimatdorf ihres Vaters im Norden Syriens nur durch Ferienaufenthalte und durch die Erzählungen des Vaters kennen. Die Großeltern, Tanten und Onkel erleben dort immer wieder ethnische und religiöse Diskriminierung und Verfolgung. Leylas Vater wurde in die Religionsgemeinschaft der Eziden hineingeboren, ist selbst aber Kommunist und nicht gläubig. Die Willkür des syrischen Präsidenten Assad und seiner Anhänger zwang ihn einst zur Flucht nach Deutschland.

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Zwischen Staatsverweigerern

Anna Burns‘ faszinierender Roman „Milchmann“ ist ein Bürgerkriegsdrama, eine Coming-of-Age-Geschichte und eine bitterböse Gesellschaftssatire.

„Der Tag, an dem Irgendwer McIrgendwas mir eine Waffe auf die Brust setzte, mich ein Flittchen nannte und drohte, mich zu erschießen, war auch der Tag, an dem der Milchmann starb. Er wurde von einem staatlichen Mordkommando erschossen, und der Tod dieses Mannes war mir herzlich egal.“ 

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Die Frau bleibt in der Opferrolle. Feministische Perspektiven eröffnet Lisa Taddeos "Three Women - Drei Frauen" nicht. / Cover: Piper

Pessimistische Perspektiven in punkto Gleichberechtigung

Lisa Taddeos überschätzte literarische Reportage „Three Women – Drei Frauen“

Maggie hat mit 17 ein Verhältnis mit ihrem verheirateten Highschool-Lehrer. Lina leidet in ihrer leidenschaftslosen Ehe und beginnt eine Affäre mit ihrem Jugendfreund, der sie einst verlassen hat. Und Sloane hat Sex mit anderen Männern und Frauen, weil ihren Ehemann das erregt. 

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